Auf dem Papier wirkt die Situation fast schon kurios. Im Juni letzten Jahres ließ die staatliche Ölgesellschaft von Abu Dhabi, ADNOC, verlauten, dass sie ein Auge auf Covestro geworfen habe und eine Übernahme für etwa 55 € pro Aktie in Betracht ziehe.

Der Aktienkurs war daraufhin auf rund 50 € gestiegen, nachdem er zuvor unter 40 € gelegen hatte. Dies geschah trotz des eigenartigen „informellen“ Charakters der Annäherung und zahlreicher sprachlicher Vorsichtsmaßnahmen von beiden Seiten.

Drei Monate später legte ADNOC nach und deutete an, dass das Angebot auf 60 € pro Aktie steigen könnte. Diese Nachricht hat den Markt jedoch kaum begeistert, und der Kurs ist auf 47 € gefallen.

Erneut fiel die Verwendung merkwürdiger sprachlicher Formulierungen auf, mit einem Angebot, das lediglich „mündlich“ kommuniziert worden sein soll und insgesamt sehr offen für Entwicklungen bleibt – „open-end discussions“, wie es im Original heißt.

Die Reaktion des Marktes auf diese Ankündigungen spiegelt die Zurückhaltung der Anleger wider. Diese haben zweifellos die politischen Implikationen im Blick. Es fällt schwer zu glauben, dass die deutschen Behörden es gerne sehen würden, wenn sich eine Monarchie des Persischen Golfs so einfach eine nationale Industrieperle unter den Nagel reißt.

Zum einen, weil bereits Gerüchte über strategische Differenzen zwischen den beiden Parteien kursieren, insbesondere in Bezug auf nachhaltige Entwicklung. Zum anderen, weil der opportunistische Charakter des ADNOC-Angebots gewisse Empfindlichkeiten verletzen könnte.

Die Annäherung der Emirate kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Covestro – wie die gesamte deutsche Industrie – eine schwierige Phase durchläuft, unter anderem bedingt durch hohe Energiekosten und eine schlechte Wirtschaftslage.

Der Betriebsgewinn des Unternehmens ist seit zwei Jahren im freien Fall, während die Nettoverschuldung rapide ansteigt. In den letzten beiden Jahren deckte der operative Cashflow kaum die Investitionen, was den Vorstand dazu zwang, die Dividende zu kürzen.

Die am Dienstag veröffentlichten Quartalsergebnisse zeigen keine Trendwende – im Gegenteil. In diesem Kontext könnte ADNOC sowohl als weißer Ritter als auch als Raubvogel erscheinen.

Angesichts der Sensibilität des Terrains ist es daher kaum verwunderlich, dass der Markt derzeit nur halbwegs überzeugt ist. Liebhaber von Arbitrage-Geschäften sollten die Situation jedenfalls im Auge behalten.

Bildnachweis: Reuters.